Ein Mahnmal der Geschichte in Berlin
I – An einem kalten klaren Oktobervormittag besuchte ich zum ersten Mal die Überreste eines der größten Wohnheimkomplexe der ehemaligen DDR – mitten in Berlin und verlassen seit nunmehr 20 Jahren. Von 1977 bis 2003 lebten hier zumeist vietnamesische Vertragsarbeiter in insgesamt 9 Wohnblöcken. Von ihrem Leben, ihren Wohn- und Arbeitsbedingungen erzählt dieser Ort. Von der Zeit nach der Wende bis heute erzählt dieser Ort. Er erzählt die Geschichte von wechselnden Investoren aus dem Westen in einer wachsenden Stadt mit akutem Wohnungsnotstand. Von neuen Hoffnungen und Träumen, von Jugendkultur und Bandenkriminalität. Dieser nur schwer zu ertragende Ort erzählt für mich aber vor allem vom unbändigen Überlebenswillen alles Lebendigen.
II – Im Sommer 2023 komme ich ein zweites Mal hierher, sehe von innen nach außen, sehe auf Bäume und auf ein neues Container-Wohnheim. Vögel durchfliegen und Tiere bewohnen von Menschen verlassene Höhlen. Wir leben zwischen ankommen und gehen, auch davon erzählt dieser Ort.
Berlin-Lichtenberg, Gehrenseestraße, Oktober 2022 / Juni 2023